
Brückenprojekte
Was sind Brückenprojekte?
Angebotsformen
Brückenprojekte sind eine gute Möglichkeit, Kinder und ihre Familien an institutionalisierte Formen von Kindertagesbetreuung heranzuführen. Sie finden als ergänzende Angebote zu den bestehenden Bildungsangeboten von unterschiedlichen Trägern statt und orientieren sich an den kindlichen und familiären Lebenssituationen sowie den Gegebenheiten vor Ort. Brückenprojekte stellen jedoch ausdrücklich keinen Ersatz zur regulären Kindertagesbetreuung nach § 24 SGB VIII dar und erfüllen auch keinen Rechtsanspruch. Die Angebotsformen variieren von Träger zu Träger, das bedeutet, sie sind vor Ort individuell gestaltet.
Brückenprojekte werden in unterschiedlichen Angebotsformen durchgeführt. Je nach Rahmenbedingungen und unterschiedlichen Bedarfen werden sie individuell ausgestaltet.
ELTERN-KIND-ANGEBOTE
Eltern-Kind-Angebote finden meist einmal die Woche am gleichen Wochentag, zur selben Uhrzeit und am selben Ort für wenige Stunden statt. Sie werden oftmals nur für ein halbes Jahr angeboten. Das Ziel dieser Angebote ist, die Beziehung zwischen Eltern und Kind, das gemeinsame Erleben von Spielangeboten und den Austausch unter den Eltern zu fördern.

KINDERTAGESPFLEGE
Die Kindertagespflege ist ein Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot, das von einer oder mehreren geeigneten Tagespflegepersonen im eigenen Haushalt, im Haushalt der Personensorgeberechtigten oder in angemieteten Räumen durchgeführt werden kann. Innerhalb der Brückenprojekte zeigte sich, dass zumeist in schon bestehenden Kindertagespflegeangeboten Plätze für Kinder mit Fluchterfahrung geschaffen wurden. In der Kindertagespflege erleben die Kinder eine gleichbleibende Kleingruppe von wenigen Kindern im Alter zwischen 0 und 3 Jahren. Die Zeit, die ein Kind in der Kindertagespflege verbringt, wird individuell mit den Eltern vereinbart.

SPIELGRUPPEN
Brückenprojekte, die in Form einer Spielgruppe durchgeführt werden, charakterisieren sich überwiegend über eine eher gleichbleibende Gruppe von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren (teilweise auch für Kinder unter drei Jahren). Die Kinder haben die Möglichkeit gemeinsam mit anderen Kindern in Kontakt zu kommen und zu spielen, um dabei wichtige Erfahrungen zu sammeln. Bei dieser Angebotsform sind die Eltern während dieser Zeit mit in der Spielgruppe dabei oder sie haben in dieser Zeit frei und holen ihre Kinder nach der Spielgruppenzeit wieder ab. Meist findet die Spielgruppe nur wenige Stunden in der Woche statt, aber regelmäßig wiederkehrend an einem festen Tag in der Woche, immer zur gleichen Uhrzeit und am gleichen Ort (teilweise auch mehrmals die Woche oder sogar täglich).

Good-Practice-Beispiele für Brückenprojekte
Mit bedarfsorientierten Angeboten wollen Brückenprojekte Kindern und Familien mit Fluchterfahrung den Weg in die erste Bildungseinrichtung Kita erleichtern. Aus den Erfahrungen umgesetzter Brückenprojekte sind Empfehlungen für Strukturierungshilfen und Lösungsansätze für die besonderen Herausforderungen abgeleitet worden. Fachkräfte finden nachstehend die zusammengefassten Ergebnisse.
Herausforderungen in Brückenprojekten und Lösungsansätze für Fachkräfte 48.26 KB
Empfehlungen für Strukturierungshilfen von Brückenprojekten 51.85 KB
Evaluationsergebnisse
Das Verbundprojekt „Kulturen überbrücken – Integration von Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen“ wurde von Prof.in Dr.in Birgit Leyendecker von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Timm Albers von der Universität Paderborn wissenschaftlich geleitet (Projektlaufzeit: 01/2016 bis 12/2018). Ziel des Projektes war die Evaluation der Brückenprojekte, um diese nach wissenschaftlichen Maßstäben einzustufen zu können und darauf abgestimmte Handlungsempfehlungen und Praxismaterialien zu entwickeln. In der ersten Projektphase wurden die konzeptionellen Inhalte, strukturellen Rahmenbedingungen, pädagogischen Prozesse und Kooperationsgestaltungen innerhalb der niedrigschwelligen Angebote wissenschaftlich untersucht. Zusätzlich wurden die psychosozialen Belastungen und Ressourcen der Kinder mit Fluchthintergrund vertiefend in den Blick genommen.
Das Projekt war als Verbundprojekt organisiert und zeichnet sich durch einen interdisziplinären Methodenmix mit qualitativen und quantitativen Anteilen aus. Eingesetzt wurden z.B. eine Ratingskala zur Erfassung der Strukturqualität, Fragebögen und Interviews zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten und der mentalen Gesundheit der Kinder sowie der Struktur- und Orientierungsqualität der Brückenangebote, Beobachtungsbögen zur Erfassung der Interaktionsqualität sowie der Pädagogischen Prozesse oder Interviews zur Erfassung der Orientierungsqualität und des pädagogischen Handelns in Brückenprojekten. Die Daten wurden von Personen in leitenden Funktionen, pädagogischen Kräften sowie Eltern in Brückenprojekten erfasst.
Kinder, die die Brückenprojekte besuchten, waren in der Mehrheit (etwa 60%) zwischen drei und sechs Jahre alt. Die meisten Kinder kommen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Dabei variiert die Gruppenzusammensetzung in Brückenprojekten erheblich im Hinblick auf Alter und Herkunftsland der Kinder. Betreut wurden die Kinder und Familien von pädagogischen Kräften, die eine einschlägige pädagogische Vorbildung aufweisen. Die Mehrheit der pädagogischen Kräfte haben eine pädagogische Ausbildung, z.B. als Kinderpfleger*in bzw. Erzieher*in (41,2%) oder ein einschlägiges Studium z.B. Sozialpädagogik oder Heilpädagogik (33%) absolviert.
In Bezug auf die psychosozialen Belastungen der Kinder in den Brückenprojekten, zeigt sich im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ohne Fluchterfahrung, dass 3 von 4 Kindern mit Fluchterfahrung Verhaltensweisen aufweisen, die auf eine erhöhte psychische Belastung hindeuten könnten (z.B. Ängste oder Aufmerksamkeitsprobleme). Allerdings zeigen sich kaum erhöhte Hinweise auf posttraumatische Belastungsstörungen. Insgesamt sind die Kinder durch eine besondere Aufmerksamkeit der pädagogischen Kräfte gut in der Verarbeitung des Erlebten zu unterstützen.
Die räumliche und materielle Ausstattung innerhalb der Brückenprojekte ist sehr heterogen. Je nach Angebotstyp konnten unterschiedliche räumliche und materielle Strukturmerkmale beobachtet werden, wobei insbesondere in Brückenprojekten, die in Großtagespflegestellen integriert wurden, ausgezeichnete Strukturmerkmale vorzufinden sind (z.B. altersadäquates Mobiliar, individuelle Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder, Materialausstattung für unterschiedliche Bildungsbereiche oder Raumgestaltung). Aber auch Eltern-Kind-Angebote und Spielgruppen weisen hohe prozentuale Anteile ausgezeichneter und zufriedenstellender Strukturmerkmale auf.
Zusammenfassend zeigt sich aus den Beobachtungen in den Brückenprojekten, dass den Kindern eine räumlich und allgemein materiell gut ausgestattete Lernumwelt geboten wird. In fast allen besuchten Brückenprojekten haben die Kinder die Möglichkeit sich mit umfangreichen Materialien zur kreativen Gestaltung auseinanderzusetzen. Lernumwelten, die eine kognitive Anregung in spezifischen Bildungsbereichen hervorrufen, konnten weniger beobachtet werden. Jedoch bilden und lernen Kinder über eine lernanregende Umgebung und werden über diese stimuliert.
Im Zuge der Evaluation konnten durch unterschiedliche methodische Verfahren und Daten (z.B. Fragebögen und Interviews) vier Handlungsbereiche identifiziert werden, die bei der Ausgestaltung von Brückenprojekten leitend sind: Zusammenarbeit mit Eltern, Ankommen (Sicherheit und Vertrauen schaffen), Strukturierung des Alltags und die Kompetenzunterstützung der Kinder. In 66 von den Wissenschaftlern besuchten Brückenprojekten (Feldbeobachtungen) konnten die Handlungsbereiche bestätigt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zusammenarbeit mit Eltern sich in hohem Maße durch die wertschätzende Begrüßung zu Angebotsbeginn und einem allgemeinen Informationsaustausch auszeichnet.
Die Einbindung der Eltern oder Familien in die Brückenprojekte konnte etwa in einem Viertel der Brückenprojekte beobachtet werden. Im Hinblick auf die Kinder gelingt es den Kräften in den besuchten Brückenprojekten in überwiegendem Maße, positive Beziehungen zu den Kindern aufzubauen und einfühlsam auf ihre Bedürfnisse einzugehen (Handlungsbereich Ankommen). Die Struktur vieler Angebote (Handlungsfeld Strukturierung des Alltags) zeichnet sich durch Freispielphasen aus. Eine strukturierte Phasierung der Angebote mit rhythmisierten wiederkehrenden Elementen, konnte weniger beobachtet werden.
Ein Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit im Bereich der Kompetenzförderung in den beobachteten Brückenprojekten ist die sprachliche Bildung, wobei insbesondere die Deutschsprachkompetenz und eine Förderung des Wortschatzes der Kinder im Vordergrund steht. Weiterführende sprachlich-kognitiv anregende Formen der sprachlichen Bildung treten in den beobachteten Brückenprojekten eher in den Hintergrund.
Die Abfrage der pädagogischen Kräfte in den Brückenprojekten nach den Herausforderungen, die sich ihnen in der alltäglichen Arbeit zeigen, waren vor allem der Umgang mit Emotionen, Traumata und Fluchterfahrung, Sprachbarrieren, Inter- und Multikulturalität sowie Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem gaben sie an, dass sie sich Unterstützung in Form von Fortbildungen in den Themenfeldern „Flucht, Trauma und Migration“, „Interkulturalität und Diversität“ und „Rechtliche Rahmenbedingungen“ wünschen.
Das Ministerium (MKFFI) sowie die Projektpartner der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Paderborn haben auf die wissenschaftlichen Ergebnisse reagiert und gemeinsam evaluationsbasierte Praxismaterialien entwickelt. Zur Unterstützung der Arbeit mit Familien und Kindern mit Fluchterfahrung sind unter anderem folgende Leistungen und Materialien entstanden:
- Telefonische Sprechstunde für pädagogische Fachkräfte in NRW (abgeschlossen)
- Elternbroschüre in 12 Sprachen
- Impulskarten
- FAQ – Orientierungshilfen für pädagogische Fachkräfte
- Steckbriefe zu Sprachen und Bildungssystemen einiger Herkunftsländer
- Erklärfilme für Eltern zum Thema „Frühe Bildung“
- Selbstlernmodule zu gewünschten Themen aus der Praxis
- Methodisch-didaktisch aufbereitetes Schulungsmaterial zu gewünschten Themen
Beantragung von Brückenprojekten
Das Land NRW stellt seit dem Jahr 2015 Haushaltsmittel für die Kinderbetreuung in besonderen Fällen bereit. Entsprechende Projektanträge können von anerkannten Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe über die örtlichen Jugendämter an die Landesjugendämter gestellt werden.
Die zugehörige Förderrichtlinie finden Sie hier: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=21982&ver=8&val=21982&sg=0&menu=0&vd_back=N
Weitere Informationen, FAQ sowie die Links zum entsprechenden Antragsverfahren finden Sie auf den Seiten der Landesjugendämter: