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Emotionale Herausforderungen meistern

Emotionale Herausforderungen meistern

Emotionale Herausforderungen meistern

Wie können Fachkräfte Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern mit Fluchterfahrungen besser verstehen? Hier finden Sie wissens- und hilfreiche Hinweise für die Praxis.

In diesem Baustein haben Sie die Möglichkeit mehr über psychisch auffällige und unauffällige Verhaltensweisen bei Kindern mit Fluchterfahrung zu lernen. Dazu werden unterschiedliche Typen von Verhaltensauffälligkeiten beschrieben und Vorschläge zum Umgang mit diesen gegeben. Der Baustein wird durch Kommentare der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen Karen Krause und Sören Friedrich ergänzt. Frau Krause ist Leiterin und Herr Friedrich Geschäftsführer der Kinder- und Jugendlichenambulanz des Zentrums für Psychotherapie Bochum.

Eine wissenschaftliche Studie (Buchmüller, Lembcke, Bihler, Kumsta & Leyendecker, 2018) zu Verhaltensauffälligkeiten von Kinden mit Fluchterfahrungen in Brückenprojekten zeigt, dass pädagogische Kräfte häufiger externalisierende Auffälligkeiten (u.a. Aggression, Konzentrationsprobleme) wahrnehmen. Aus Elternsicht dominieren hingegen überwiegend internalisierende Auffälligkeiten (u.a. Traurigkeit, Angst) bei den Kindern. Zudem nehmen die Eltern mehr Verhaltensauffälligkeiten wahr als die pädagogischen Kräfte. 

Psychische Traumatisierung

 Als psychische (auch seelische oder mentale) Traumatisierung wird eine Beeinträchtigung bezeichnet, die durch eine stark negative biographische Erfahrung hervorgerufen wurde. Im Kontext von Flucht zählen dazu insbesondere Kriegserlebnisse (u.a. Miterleben von Kriegshandlungen mit Verletzungs- oder Todesfolge), Entführungen, Terroranschläge, Folter, oder Verhaftungen vor, aber auch während der Flucht. Derartige Erfahrungen können (müssen aber nicht zwangsläufig) bei Menschen extremen Stress auslösen und Gefühle der Hilflosigkeit, oder des Entsetzens erzeugen. Menschen sind besonders dann gefährdet, wenn die Erlebnisse ihre Fähigkeiten zur psychischen Verarbeitung und Bewältigung übersteigen. Wenn diese erhöhte Stressspannung über längere Zeit bestehen bleibt und es keine Möglichkeit gibt, die Erlebnisse adäquat zu verarbeiten, kann es zur Ausbildung von teils anhaltenden psychischen Symptomen kommen (siehe Posttraumatische Belastungsstörung). Die Erlebnisse von Krieg und Folter in den Herkunftsländern sowie die oft monatelange dramatische Flucht nach Europa belasten auch Kinder und Jugendliche in hohem Maße.

Besonders bei Kindern kann eine psychische Traumatisierung auslöst werden, wenn ihre Eltern oder nahestehende Verwandte involviert sind. Ihr positives Bild vom Menschen und von der Gesellschaft wird zerstört. Zudem erschwert die sequentielle Traumatisierung die Regeneration vom Trauma. Kinder mit Fluchterfahrungen können ebenfalls mehreren traumatischen Situationen ausgesetzt sein, die zeitlich vor, während und nach der Flucht im Asylland angesiedelt sind. So erleben sie häufig traumatische Erfahrungen vor und während der Flucht, eine hohe Belastung in der Gegenwart (nach der Flucht) und auch die Gedanken an die Zukunft sind angstbehaftet.

Grundsätzlich können, aber müssen Kinder mit Fluchterfahrungen nicht unbedingt Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Dabei kann angenommen werden, dass bestimmte Risikofaktoren zu einem spezifischen Muster von Verhaltensauffälligkeit führen. Dementsprechend wäre es möglich, dass Kinder mit Fluchterfahrungen, die Kriegserfahrungen, Mangelerfahrungen oder Migration ausgesetzt waren, ein diesen Risikofaktoren entsprechendes spezifisches Symptommuster ausbilden. Dieses Muster wird von Angst, sozialem Rückzug und Aufmerksamkeitsproblemen dominiert. Die pädagogischen Kräfte in den befragten Brückenprojekten schätzen, dass ca. 25% der Kinder in den Brückenprojekten eine traumatische Erfahrung (Gewalterfahrungen, Verlust eines Elternteils, Todesangst usw.) und 31% eine Mangelerfahrung (Hunger, emotionale Vernachlässigung, Schutzlosigkeit usw.) gemacht haben. Die Eltern berichten im Vergleich dazu zu 11% von Gefangenschaft vor der Flucht, und 20% während der Flucht, 9% Verletzungen vor, und 20% während der Flucht, und 34% Deprivation/Hunger/Entbehrung vor und 40% während der Flucht. 10% der Kinder zeigen altersbezogene Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder ihr Verhalten wird durch die drei Symptombereiche, Angst, Sozialer Rückzug und Aufmerksamkeitsprobleme dominiert. Je nach Studie zeigen zudem 26-37%, also etwa ein Drittel, eine PTBS im Kleinkindalter.

Wenn ein Kind sich auffällig verhält, muss dies nicht aufgrund einer zurückliegenden „Traumatisierung“ geschehen, sondern kann auf verschiedene (auch situationsspezifische) Einflüsse, oder ggf. auch eine Entwicklungsverzögerung zurückgeführt werden. Außerdem ist das Spektrum an Reaktionen von Kindern und Jugendlichen auf traumatische Ereignisse breiter als bei Erwachsenen. Wie Kinder auf traumatische Ereignisse reagieren, hängt grundsätzlich von ihrem Entwicklungsstand ab. Manche Kinder zeigen sich auch unerwartet fröhlich, unbekümmert und angepasst. Andere wiederum zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die auf eine psychische Störung hinweisen. Sie ziehen sich zurück, sind unruhig, weisen Konzentrationsprobleme auf oder sind aggressiv. Außerdem können Symptome einer PTBS einzeln oder in Kombination auftreten.

Diagnostiziert wird eine PTBS, wenn das betroffene Kind...

(A) ein- oder mehrmals einer Todesangst auslösenden Bedrohung ausgesetzt war oder Zeuge einer solchen Bedrohung bei einer primären Bezugsperson war.

(B) von wiederkehrenden eindringlichen Erinnerungen (Intrusionen, Flashbacks und/oder Alpträumen) geplagt wird.

(C) alles, was an das traumatische Ereignis erinnert, vermeidet oder zu vermeiden versucht und sich anhaltende Veränderungen in Affekt und Kognitionen (Gedächtnisprobleme, Angst, Schuld, Interessenlosigkeit usw.) manifestieren.

(D) eine auffällige Erregbarkeit (Schlafstörungen, Reizbarkeit, Wutausbrüche, Konzentrationsmangel, Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit) zeigt.

Bei Kindern werden traumatisierende Ereignisse oft in Spielen nachgestellt. Sind die Verhaltensauffälligkeiten innerhalb eines halben Jahres nach dem traumatischen Ereignis aufgetreten und dauern mindestens einen Monat an, sprechen wir von einer PTBS.

Besonderheit bei Kindern unter 6 Jahren: Erinnerungen, Dissoziationen usw. können in Nachspielen von traumaähnlichen Situationen ausgedrückt werden und Albträume können ohne erinnerbaren Inhalt auftreten. Eltern berichten von einer großen Bandbreite an emotionalen und verhaltensbezogenen Veränderungen. Durch die mangelnde Fähigkeit der Kinder ihre Gedanken auszudrücken und Emotionen zu benennen, führen negative Veränderungen in der Stimmung und den Kognitionen vornehmlich zu einer negativen Veränderung der Emotionen. Vermeidendes Verhalten kann sich auf eingeschränktes Spiel- oder erkundendes Verhalten bei Kleinkindern und verringerte Teilnahme bei neuen Spielen im Schulalter beziehen.  

Sobald sich ein Kind in einer traumatischen Situation befindet, schaltet das Gehirn in ein Notfallprogramm um. Durch den hohen Stress während der traumatischen Situation wird das Stresshormon Cortisol in ungewöhnlich hohem Ausmaß ausgeschüttet und führt dazu, dass die Informationsverarbeitung gestört wird. Die traumatischen Ereignisse werden so nicht adäquat in das autobiographische Gedächtnis eingespeichert. Es entstehen vielmehr fragmentierte Erinnerungsfetzen, die nicht in chronologischer Reihenfolge gespeichert und abgerufen werden können. Das führt dazu, dass Gerüche, Geräusche oder Bilder, die denen im traumatischen Ereignis ähnlich sind, die Erinnerungen an das Ereignis aktivieren können. Das Kind kann infolgedessen nicht mit den traumatischen Ereignissen abschließen und wird quasi bis in die Gegenwart „verfolgt“. Durch die Besonderheiten dieses Traumagedächtnisses entstehen die PTBS-typischen Auffälligkeiten wie Intrusionen, Flashbacks, Dissoziationen oder Übererregung.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch Frau Krause und Herrn Friedrich vom ZPT gefragt, wieso eine PTBS eigentlich als normale Reaktion auf eine Belastung aufgefasst werden kann.

Audiodatei - Emotionale Herausforderungen (PTBS)

Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen Trauma, Traumatisierung und Posttraumatischer Belastungsstörung. Nicht jeder Mensch, der traumatische Erfahrungen gemacht hat, entwickelt Symptome einer PTBS. Ob nach der Erfahrung eines traumatischen Erlebnisses psychische Störungen entwickelt werden, hängt von dem Kind, seinen psychosozialen Schutzfaktoren und seinen Umweltbedingungen ab. Deswegen sollten den Kindern keine Opferrollen zugeschrieben werden, denn trotz schlimmer Erfahrungen können sich diese unproblematisch entwickeln und sogar stärker und widerstandsfähiger aus diesen Erlebnissen hervorgehen. Wichtige Determinanten dafür sind, wie das Ereignis persönlich wahrgenommen wurde und in welchen Kontext es eingebettet wird, sowie innerliche Ressourcen wie psychische Belastbarkeit, Intelligenz oder soziale Kontakte.

Audiodatei - Emotionale Herausforderungen (Trauma)

Frau Krause vom ZPT Bochum weist im Interview außerdem darauf hin, dass es wichtig ist, die Begrifflichkeiten im Rahmen von Trauma gut voneinander zu trennen - nicht jedes Kind entwickelt eine PTBS. Es ist zudem Vorsicht geboten, Kinder nach ihrem „Krankheitsbild“ zu kategorisieren, denn nicht alle Verhaltensauffälligkeiten deuten auf eine Traumatisierung oder eine PTBS hin. Zudem ist es oft nicht eindeutig, auf welches Symptom eine Verhaltensauffälligkeit zurückzuführen ist.

Demnach zeigt sich, dass eine Differenzierung und Kategorisierung von kindlichen Verhaltensauffälligkeiten nicht leichtfertig geschehen sollte. Trotzdem lohnt es sich, auf Verhaltensauffälligkeiten zu achten, und ggf. Hilfemaßnahmen einzuleiten, da frühzeitige Intervention am effektivsten und nachhaltigsten wirken. Jedoch müssen und können Sie alleine in vielen Fällen dem Kind nicht genau das bieten, was es zur Linderung seiner Symptomatik benötigt. Wenn Sie merken, dass Sie mit einem Kind nicht angemessen arbeiten können oder dessen psychische Symptome nur schlimmer werden (und Sie ggf. auch eine PTBS vermuten), vermitteln Sie den Eltern sofort, dass das Kind ärztliche bzw. psychotherapeutische Hilfe benötigt. Unterstützen Sie eventuell bei der Vermittlung, denn nur Ärzte bzw. Kinder- und Jugendpsychotherapeuten haben die Ressourcen und die Mittel, um eine PTBS bzw. andere psychische Auffälligkeiten professionell behandeln zu können. Dazu sollten die Eltern mit dem Kind ein sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) oder psychosoziale Beratungsstellen aufsuchen, damit eine eindeutige Diagnose gestellt und die passende Behandlung eingeleitet werden kann. Eine unterstützende Netzwerkliste finden sie im Baustein Vernetzungen.

Diesbezüglich haben wir Frau Kraus gefragt, ab wann genau ein Kind zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapueten geschickt werden sollte.

Audiodatei - Emotionale Herausforderungen (Therapie)

Kindliche Verhaltensauffälligkeit wird in "externalisierend" und "internalisierend" unterteilt. Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten sind von außen beobachtbar. Dazu gehören zum Beispiel Unruhe oder aggressives Verhalten. Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten hingegen können von außen meist nicht beobachtet werden. Diese sind Auffälligkeiten, die innerlich bearbeitet werden, wie zum Beispiel Selbstzweifel, Depressionen oder Ängste. Kinder verhalten sich dann sehr ruhig, wirken traurig oder in sich versunken. Externalisierendes Verhalten wird häufiger den Jungen zugeordnet, wohingegen Mädchen häufiger internalisierende Auffälligkeit zeigen. Jedoch können beide Arten bei beiden Geschlechtern auftreten. 

Externalisierende und internalisierende Verhaltensweisen können sowohl im Rahmen einer PTBS als auch isoliert auftreten. Zwar kommt es zu Überschneidungen der Verhaltensauffälligkeiten, jedoch ist von einem voreiligen Schluss auf ein Störungsbild abzusehen. Kinder können aus verschiedenen Gründen auffällige Verhaltensweisen entwickeln, die nicht mit Fluchterfahrungen zusammenhängen. Ein Kind kann sich beispielsweise aggressiv verhalten, da es ein sehr aufbrausendes Temperament und nur wenig Selbstregulation besitzt. Es muss nicht notwendigerweise gewaltvolle Erfahrungen gemacht hat. Zudem sind die jeweiligen Persönlichkeitseigenschaften der Kinder und ggf. auch Erziehungsmethoden der Eltern zu beachten. 

Nicht jedes auffällige Verhalten von Kindern mit Fluchterfahrungen muss auf eine psychische Störung hindeuten. Aufgrund kultureller Unterschiede im Familiensystem oder auch fluchtbedingter Erfahrungen zeigen Kinder mit Fluchterfahrungen häufig Verhaltensweisen, die als eine Anpassungsreaktion an ihre neue Umgebung gedeutet werden können. Diese sind nicht weiter schlimm und sollten nach einer gewissen Zeit abnehmen. Sind Ihnen die folgenden Verhaltensweisen könnten schon mal aufgefallen?

  • Auffälliger Gehorsam gegenüber Erwachsenen: dies liegt möglicherweise an ausgeprägten Hierarchien in Familien mit Fluchterfahrungen; Eltern besitzen unbestreitbare Autorität und auch von den pädagogischen Kräften werden Anordnungen und feste Regeln erwartet
  • Desinteresse/Ratlosigkeit bei der Beschäftigung mit Spielsachen: in einigen Herkunftsländern gibt es häufig andere (oder auch keine vergleichbaren) Spielsachen, sodass die Kinder zunächst überfordert sind; sie explorieren, wie die Spielsachen zu verwenden sind
  • Horten von Spielsachen oder Essen: kann auf Mangelerfahrungen während der Flucht oder in der Flüchtlingsunterkunft zurückgehen
  • Spielen oft für sich allein oder wollen nicht gestört werden: haben in beengten Unterkünften oder sehr kleinen Wohnungen oft keine Ruhe, um für sich spielen zu können
  • Lassen sich eher von älteren Kindern helfen oder spielen nur mit Geschwistern: da in einigen Herkunftsländern die Geschwister an der Erziehung jüngerer Kinder mitwirken, haben Kinder mit Fluchterfahrungen oft eine enge Bindung zu diesen bzw. sind es gewohnt, Anweisungen älterer Kinder zu erhalten

Auffälligkeiten im Verhalten erkennen

 

 

 

Es sind 13 verschiedene Verhaltensauffälligkeiten von Kindern jeweils kurz dargestellt und erläutert, wie Sie mit diesen umgehen können. 

 

 

1 Intrusionen/ Flashbacks

  • Sich plötzlich und unerwartet aufdrängende, nicht kontrollierbare Erinnerungen und Gedanken
  • Sind bei Kindern schwer von außen zu erkennen, da es nicht immer Intrusionen sind, wenn ein Kind abwesend erscheint (ein Kind kann gerade ebenso in ein Spiel oder einen Gedanken vertieft sein)
  • Unterschied zwischen unkontrollierbaren Erinnerungen und kontrollierbaren Gedanken beachten
    • Können in Form von Bildern, taktilen oder akustischen Empfindungen oder Gerüchen auftreten 
    • Sind überwältigend (Ausblenden ist nicht möglich) 
    • Sind durch das Traumagedächtnis bedingt:  Erinnerungen an das Trauma sind nicht im autobiographischen Gedächtnis verankert und können so durch ähnliche Reize ausgelöst werden 
  • Erinnerungen sind eine Form von Intrusionen: 
    • Wenn traumatische Erinnerungen die Oberhand über die Gegenwart gewinnen  
    • Traumatische Situation wird so erlebt, als ob sie im derzeitigen Moment geschehen würde 
    • Können durch einen Auslösereiz, einen sogenannten Trigger, hervorgerufen werden
    • Kinder verhalten sich sehr ängstlich, zeigen Gefühle & Verhaltensweisen aus der traumatischen Situation oder spielen wiederholt bestimmte Situationen im Spiel nach 
    • Mögliche Auslöser können etwa Gerüche (z.B. Schweiß-, Öl- oder Rauchgeruch), Geräusche (z.B. Feueralarm, Testung des Sirenensignals oder ein lauter Knall) sowie Blicke, Bewegungen und Berührungen sein
  • Achtung: oft treten repetitive Verhaltensweisen als Ausdruck von Erinnerungen auf (s.u.)
  • Dem Kind aufmerksam zuhören, falls es etwas erzählen oder über etwas reden möchte.
  • Versuchen, das Kind zu beruhigen (zwar verstehen jüngere Kinder den Inhalt von beruhigenden Worten häufig nicht, jedoch kann allein die Zuwendung sowie der Tonfall dazu führen, dass Kinder sich wieder beruhigen).
  • Dem Kind spielerisch bei der Verarbeitung der Erinnerungen helfen:
    • Nur gute Strategie wenn das Kind emotional erreichbar ist: Beruhigung ins Spiel reinbringen, indem man Ablenkungsstrategien anwendet (=Vernebelung), die das Kind herunterregulieren. 
    • Möglichst frühzeitig in das Spiel eingreifen, noch bevor sich ein Kind in das Spiel „hineinsteigert“.
  • Beispiel: „Ich sehe, dass dich viele Ereignisse aus deiner Vergangenheit beschäftigen und dir Angst machen, dich belasten, dich traurig machen. All diese schlimmen Dinge sind nun vorbei und bloß noch Erinnerungen. Hier und jetzt wird dir nichts Böses zustoßen, denn bei uns bist du sicher. “

2 Dissoziation

  • Geistige Abwesenheit/Erstarren/Gedankenverlorenheit 
  • Kann von einer leichten Tagträumerei bis hin zu völlig fehlender Ansprechbarkeit reichen
  • Schutzreaktion vor belastenden Ereignissen, wobei häufige und intensive Dissoziationen nicht hilfreich für die Verarbeitung traumatisierender Erlebnisse sind, da keine Integration in das autobiographische Gedächtnis erfolgt
  • Das Kind hat im Anschluss keine Erinnerung an den Moment, in dem die Dissoziation auftrat
  • Das Kind versteift sich, die Erzählweise oder das Verhalten ändern sich plötzlich
  • Kann durch Erinnerung oder äußere Faktoren wie laute Geräusche, Gerüche oder Stimmen hervorgerufen werden
  • Achtung: oft zeigen sich repetitive Verhaltensweisen als Ausdruck von Dissoziationen (s.u.)!
  • Das Kind in die Gegenwart zurückholen
  • Hierbei möglichst die folgenden Punkt beachten
    • ruhig bleiben
    • Augenkontakt mit dem Kind aufbauen und halten
    • in einfachen und klaren Sätzen sprechen
    • das Kind mit seinem Namen ansprechen
    • Ankündigungen von Berührungen
    • Orientierung: Erklären Sie, wer Sie sind, und nennen Sie den Ort, die Tageszeit und was gerade passiert ist (Beispiel: „Wir haben Mittagszeit. Gerade haben wir gemeinsam gegessen und wir sind in der Spielecke und haben mit den Puppen gespielt. Ich bin die Frau X und du bist X….“)
    • dem Kind versichern, dass es in Sicherheit ist
    • das Kind fragen, wie es heißt und wo es ist
    • das Kind auffordern, Dinge und Wahrnehmungen in der Umgebung (z.B. Spielzeuge, Namen anwesender Kinder, Geräusche) zu benennen.  
    • dem Kind einen Gegenstand geben, welches es mit Sicherheit assoziiert, z.B. ein Kuscheltier (auch ein symbolischer Gegenstand in der Hand kann helfen) 
    • starke und klare Sinnesreize, z.B. ein kaltes Tuch auf den Arm legen, hohe oder schrille Geräusche erzeugen (pfeifen, klatschen), oder stark riechende Substanzen (Öle, Kräuter etc.) im Raum einsetzen
    • Warme/sanfte/leise Sprechstimme: Sicherheit vermitteln/Kind soll sich wohl fühlen

Strukturen wie z.B. Rituale schaffen (Vorhersehbares im Tagesablauf integrieren, um Gefühl der Sicherheit herzustellen)

3 Repetitive Verhaltensweisen

  • sich ständig wiederholende, ggf. thematisch spezifische Verhaltensweisen
  • Teilaspekte mitunter traumatischer Erlebnisse werden reinszeniert
  • Nachspielen/Malen von Situationen (z.B. mit Puppen) 
  • Bei häufigem oder zwanghaftem Wiederholen dieser Spiele: posttraumatisches Spielen 
  • Versuch des Kindes, das Erlebte zu verarbeiten  
  • Unterbinden der Spiele, die das Beisammensein stören bzw. allgemeine Regeln im pädagogischen Alltag verletzen.
  • Benennen der Gefühle, die beim Kind wahrgenommen werden.
  • Versuchen, das Kind zu beruhigen, wenn es infolge des Nachspielens oder Malens sehr aufgewühlt erscheint.

4 Ängste

  • Generalisierte Angst 
    • Ängste, die sich auf alltägliche Dinge ausweiten (z.B. Angst, verlassen zu werden, beim Schlafengehen, Abschiednehmen, Angst vor Dunkelheit oder vor fremden Menschen) 
  • Spezifische Angst
    • Sind an die ursprünglich traumatische Situation gebunden 
    • Z.B. Angst vor Menschen oder Tieren, die während der traumatischen Situation anwesend waren, daran beteiligt waren oder eine Erinnerung an die traumatische Situation auslösen
  • Trennungsangst
    • Angst, wenn die Eltern weggehen (Weinen, Aggression), dass diese nicht wiederkommen oder ihnen etwas passiert, wenn das Kind nicht bei Ihnen ist
    • Häufig somatische Beschwerden wie Bauschmerzen oder Übelkeit
    • Kann durch bereits erfahrene Verlusterlebnisse bedingt sein, jedoch können auch Kinder ohne Verlusterfahrungen Trennungsangst entwickeln
  • Versuchen, das Kind zu beruhigen.
  • Erklären, wo das Kind gerade ist und dass es sich in Sicherheit befindet.
  • Erklären, wovor sich das Kind erschrocken hat und was das bedeutet.
  • Dem Kind die Möglichkeit geben, seine Ängste mitzuteilen.
  • Dem Kind genau erklären, wohin die Eltern gehen und wann genau sie wiederkommen.
  • Nicht das Vermeidungsverhalten des Kindes verstärken, indem die Eltern das Kind wieder mitnehmen oder gar nicht mehr in die Kita bzw. das Brückenprojekt bringen.
  • Regelmäßigkeit und Struktur einbringen und erhalten.

5 Hypervigilanz

  • Erhöhtes Erregungsniveau: Körper befindet sich immer noch im Alarmzustand 
  • Kann zu Schlafstörungen, erhöhter Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit führen 
  • Sensible Reaktion auf Veränderungen 
  • Motorische Unruhe 
  • Entspannungsübungen wie zum Beispiel Phantasie- oder Traumreisen, sowie progressive Muskelentspannung anwenden, damit die Kinder lernen können, wie sie mit Unruhezuständen/Anspannung umgehen können
  • Übungen können mit der ganzen Gruppe durchgeführt werden

6 Aufmerksamkeits-/ Konzentrationsprobleme

  • Verminderung der Aufmerksamkeit sowie der Konzentrations- und Merkfähigkeit
  • Schwierigkeiten beim Zuhören oder Erzähltem zu folgen 
  • Kann auch mit häufiger oder übermäβiger Übermüdung einhergehen (s. Schlafprobleme) 
  • Eingeschränkte Fähigkeit chronologisch zu denken oder zu erzählen  
  • Häufig auch Fabulieren oder Phantasieren
  • Dem Kind genau sagen, was gemeint ist: z.B. „Sei leise, schau genau hin und höre gut zu!“ anstatt „Jetzt konzentrier dich doch mal!“ 
  • „Tu nicht“ Aussagen vermeiden
  • Erwartungen herunterschrauben und das Kind nicht überfordern
  • Unruhe und Lärm ausschalten, wenn sich das Kind konzentrieren soll
  • Kind so früh wie möglich daran gewöhnen, sich immer nur mit einer Sache zu beschäftigen 
  • Mit dem Kind einüben, sich selbst besser zu beobachten und sein Verhalten zu regulieren ("Stopp, was tust du gerade? Was wolltest du eigentlich tun? Was brauchst du dazu?") 
  • Musik hören, Tanzen, regelmäßiges Vorlesen  

7 Grenzenloses / risikoreiches / aggressives Verhalten

  • Unbewusster Versuch Grenzen zu erzwingen und so mehr Halt und Sicherheit zu erfahren bzw. auch zu überprüfen, ob Halt gegeben wird 
  • In Auseinandersetzungen kann das „Nicht-Nachgeben“ als Versuch dienen, im Vergleich zur erlebten Hilflosigkeit in der traumatischen Situation wieder die aktive und kontrollierende Rolle einzunehmen 
  • Oppositionelles Verhalten bspw. Verweigerung der Teilnahme am Sitzkreis o.ä.
  • Erklärungen prüfen, die das Kind dafür gibt, dass es sich nicht an die Regeln hält (z.B. Regelverständnis, Ängste)
  • Dem Kind im Rahmen der Möglichkeiten kleine Freiräume zugestehen, in denen es seine Bedürfnisse nach Autonomie und Kontrolle befriedigen kann (z.B. ein Spiel / Lied aussuchen, eine Reihenfolge bestimmen), Zeit geben
  • Auf die Einhaltung von Regeln bestehen, die für das Miteinander und die Sicherheit wichtig sind
  • Dem Kind auf eine nicht bestrafende Art und Weise Regeln vermitteln und die eigenen Grenzen sowie die Grenzen der anderen Kinder aufzeigen
  • Dem Kind eine Möglichkeit geben, seine Wut heraus zu lassen, beispielsweise indem es sich durch anstrengende Aktivitäten auspowert
  • Dem Kind eine Wut-Box anbieten, in dem saure Kaugummis, ein sehr kaltes Getränk, ein Stressball usw. enthalten sind (dem Kind helfen sich in einer akuten Wutsituation auf die verschiedenen Sinne zu konzentrieren und mit den intensiven Emotionen umzugehen)
  • Als Prävention ein Stimmungsbarometer und die Stopp-Regel einführen, damit die Kinder ihre Grenzen erkennen lernen und diese gewaltfrei wahren, wenn andere diese zu überschreiten versuchen. Für das Stimmungsbarometer kann man ein Plakat benutzen, auf dem die Kinder ihre Stimmungslage angeben können (bspw. Emoticons/Thumbs up oder Thumps down). Das Stimmungsbarometer dient den Kindern dazu, ihre Gefühle zu reflektieren und mitzuteilen. Das Kind soll hierbei lernen nicht aggressiv zu reagieren, sondern seinen Zorn zu kommunizieren, sodass man in der Gruppe nach einer Lösung suchen kann. Bei der Stopp-Regel geht es darum, dass ein Kind laut „Stopp“ rufen soll, wenn es sich in einer Situation überfordert und wütend fühlt. Dies dient dazu Streit zu vermeiden und anderen Kindern Grenzen zu setzen

8 Regressives Verhalten

  • In frühere Entwicklungsstadien zurückfallen (z.B. neuerliches Bettnässen, Daumenlutschen) oder in diesen „hängen bleiben“ (= Entwicklungsverzögerungen) 
  • Größeres Bedürfnis nach Zuwendung/Anhänglichkeit 
  • Schimpfen vermeiden, da das Verhalten vor dem Hintergrund des Erlebten verständlich ist
  • Ignorieren von leichtem Problemverhalten soweit wie möglich oder kommentarloses Hinnehmen dessen
  • Das Kind für altersangemessenes Verhalten loben 
  • Darauf achten, dass das Kind von den anderen Kindern nicht aufgrund des Verhaltens geärgert oder gehänselt wird

9 Schuldgefühle Entwickeln sich, wenn man selbst in Sicherheit ist, die eigene Familie jedoch nach wie vor Gefahren ausgesetzt ist

  • Dem Kind vermitteln, dass es nicht schuld an den jetzigen Umständen ist und erklären, wieso es unschuldig ist
  • Dem Kind erklären, dass Schuldgefühle völlig normal sind und viele darunter leiden, aber dadurch keinem geholfen ist 
  • Verständnisvoll auf mögliche emotionale Ausbrüche reagieren
  • Das Kind ablenken und in positive Interaktion verwickeln

10 Körperliche Beschwerden

  • Herzrasen und Schwindelgefühl, die unter Umständen nach Ende der bedrohlichen Situation weiter bestehen bleiben
  • Bauchschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit (vor allem bei jüngeren (Schul)Kindern)
  • Versuchen, das Kind so wenig Stress wie möglich auszusetzen
  • Hierbei bieten sich auch Entspannungsübungen an, um dem Kind beizubringen, wie es mit Entspannung auf Anspannung reagieren kann, damit den körperlichen Beschwerden frühzeitig vorgebeugt werden kann
  • Herzrasen und Schwindelgefühle können sehr unangenehm für das Kind werden, wenn sie sich stark in diese Empfindungen hereinsteigern; Panikanfälle sind jedoch in der frühen Kindheit eher selten und äuβern sich bei kleinen Kindern eher durch Wutausbrüche, Schreikrämpfe und ähnliches
  • Bei Wutausbrüchen etc. versuchen, das Kind abzulenken, damit es sich nicht in die körperlichen Symptome reinsteigern kann und mögliche Auslöser vermeiden
  • Wenn es dem Kind ständig schlecht geht, wenn es z.B. im Brückenprojekt ist und nichts dagegen hilft, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

11 Emotionale Reaktivität

  • Intensität oder Menge des Verhaltens, mit der das Kind auf einen Reiz/auf eine Situation reagiert
  • Reaktionsstärke ist individuell abhängig vom Temperament des Kindes 
  • Starke Reaktivität = hohe Empfindlichkeit oder geringe Belastbarkeit
  • Als plötzliche Stimmungs- oder Gefühlswechsel beim Kind zu erkennen, die häufig in Gefühlsausbrüchen enden
  • Kindgerechte Achtsamkeitstrainings für Kinder, um reaktive emotionale Muster zu durchtrennen
  • Sport in den Alltag einbinden
  • Dem Kind Entspannungsgeschichten erzählen
  • Emotionscoaching: Erkennen, wie sich das Kind gerade fühlt und es unterstützen diese Gefühle sprachlich auszudrücken/dem Kind deutlich machen, dass es mit seinen Emotionen ernst genommen wird und ihm dabei geholfen wird, angemessen mit der Situation umzugehen
    • Wenn das Kind alt genug ist: gemeinsam nach einer Lösung des Problems zu suchen
    • Wenn sich Kind nicht schnell genug beruhigen lässt: Suche nach einer Lösung des Problems auch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben

12 Depressivität

  • Ausdruck von Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit
  • Verschlossenheit / Vermeidung von Kontakt mit anderen Kindern oder Erwachsenen
  • Bei Kleinkindern oder sehr jungen Kindern können die Ausprägungen sehr unterschiedlich sein
  • häufig körperliche Symptome (Appetitlosigkeit / Schlafstörungen / Inaktivität / apathisches Verhalten)
  • Raum für Gespräche anbieten 
  • Geduld zeigen
  • Zuhören in den Vordergrund stellen, anstatt Ratschläge zu erteilen
  • Mit Tipps und Kommentaren wie: “Kopf hoch, wird schon wieder” oder “Reiß dich doch mal zusammen” zurückhalten
  • Alle Gefühle offen und ohne Vorwürfe ansprechen
  • Das Kind zum Gespräch ermutigen

13 Schlafprobleme

  • Häufiges Aufwachen
  • Probleme beim Einschlafen
  • Unruhiger Schlaf
  • Einschlafrituale einsetzen
  • Feste Einschlafzeiten einführen (Körperrhythmus des Kindes gewöhnt sich an die Ruhephasen)
  • Gute-Nacht-Geschichten erzählen oder Einschlaflieder singen 
  • Kind vor dem Schlafengehen nicht mit zu vielen Reizen überfluten
  • Dem Kind ein Kuscheltier geben oder ein Nachtlicht anmachen

Stressabbau und Achtsamkeit bei Kindern Achten Sie auf die Kinder - und auf sich selbst!

Hier finden Sie einen Hörbeitrag zum Thema Stressabbau und Achtsamkeit bei Kindern. Viel Spaß beim Zuhören!

FAQ – Orientierungshilfen für pädagogische Fachkräfte

Der Ratgeber liefert Antworten auf häufig gestellte Fragen von pädagogischen Fachkräften, die Fragen zu Kindern mit Fluchterfahrungen in ihren Einrichtungen haben. Die Orientierungshilfe gibt Empfehlungen für den Umgang mit kindlichen Verhaltensweisen, für die Kommunikation mit Eltern sowie für die Psychohygiene für pädagogische Fachkräfte.

Trauma bei Kindern und Jugendlichen – Informationsbroschüre für pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte

Ein Trauma kann den Alltag in Kita oder Schule beeinträchtigen. Manchen Kindern geht es nach traumatischen Erfahrungen wieder gut, doch andere entwickeln problematische Verhaltensweisen oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Aus diesem Grund hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die folgende Broschüre entwickelt. Sie richtet sich an das pädagogische Personal in Kita und Schule, damit diese traumatisierte Kinder besser verstehen und unterstützen können.